Seine Sauerstoffanzeige näherte sich schon dem Ende, und so lief er in Richtung Vorratsraum los. An jeder Abzweigung nahm er seinen Armspiegel zur Hilfe, um erst um die Ecke zu schauen, ob sich da jemand aufhielt. Doch der gesamte Flur war bisher immer leer gewesen. Keine Spur des oder der Eindringlinge. Er würde später darüber nachdenken. Jetzt musste er sich Atemluft besorgen, dachte er, als er zur letzten Biege vor dem Vorratsraum ankam. Wieder blieb er stehen und ließ den Spiegel um die Ecke gucken. Der Schreck durchfuhr ihn. Da stand er nun. Der Eindringling befand sich genau in der Mitte des Flurs. Erwin wusste nicht ob er sich verraten hatte, denn er war drauf und dran gewesen einfach weiter zu laufen. Er lehnte sich mit den Rücken zur Wand und seine Hände fingen zu zittern an. Er schlug sie gegeneinander, um sie wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Was war das denn gewesen? Fragte er sich. Er hatte so etwas noch nie gesehen. Er war sich nicht mehr sicher, was er da erblickt hatte. Es war kein Mensch, das war klar. Es musste etwa so groß sein wie er selbst, und besaß mehr als vier schlanke Beine. Es ähnelte eher entfernt einer Spinne, dachte er. Sicher war er sich allerdings nicht mehr, dafür hatte er es viel zu kurz, und nur durch den Spiegel gesehen. Was auch immer es war, es versperrte ihm den Weg zu den Sauerstoffreserven. Vorsichtig lief er den Gang zurück. Fieberhaft überlegte er welche Möglichkeiten er besaß, am Eindringling vorbei zu kommen. Und was noch schlimmer war, er hatte nur noch knapp zwanzig Minuten Luft zum Atmen. So schnell er konnte ging er zum aufgebrochenen Aufenthaltsraum zurück. Ohne lange zu überlegen stieg er durch die Scheibe nach draußen. Was auch immer da in circa einen Kilometer Entfernung auf der Ebene stand, es war nicht sehr groß und hatte sich nicht bewegt. Erwin schätzte es etwa höchstens doppelt so breit wie der Eindringling war. Er verlor keine Zeit und fing an den Hügel über der Station zu erklimmen. Der einzige Zugang zum Vorratsraum, der ihm noch bekannt war, befand sich oberhalb des Bergrückens. Es war ein Sicherheitsentlüftungskanal. Es gab für alle wichtigen Abschnitte der Station solch eine Entlüftung. Bei einem Brand sollte man damit „dem Feuer Herr werden“? Es würde sehr eng werden. Den Tornister müsste er ablegen, sonst käme er dort nicht hinein. Das bisschen Sauerstoff im Helm sollte ausreichen, um in den Raum hinein zu kommen und sich einen neuen Tornister anzuschnallen.
Es durfte nur nichts schiefgehen. Endlich kam er an der richtigen Öffnung an. Mit dem Seitenschneider schnitt er den Maschendraht durch, der ursprünglich verhindern sollte, dass man versehentlich hineinfiel. Ein leises Piepen erklang und warnte ihn, dass er nur noch ein paar Minuten Luft hatte.
„Klasse Timing!“ rief er aus, schloss die Ventile zum Tornister und ließ ihn einfach neben dem Schacht fallen. Ohne weitere Zeit zu verlieren zwängte er sich mit den Füßen zuerst in die Öffnung hinein. Er musste die Arme nach oben hinausstrecken, sonst hätte er sich nicht hineinzwängen können. Zum Glück verlief der Schacht nicht ganz Senkrecht hinab. Als er ein gutes Stück runtergerutscht war stießen seine Füße auf Widerstand. Er hatte die Entlüftungsklappe erreicht. Vielleicht hätte er doch lieber mit dem Kopf voran hinein klettern sollen, dachte er kurz. Doch nun war es zu spät daran etwas zu ändern. Seine Luft im Helm war schon stickig und die Scheibe begann zu beschlagen. Mit dem Fuß versuchte er die Schalterklappe, wo sich der Entriegelungshebel befand,
zu öffnen. Zum Glück kannte er die Vorrichtung, da er sie früher hatte warten müssen. Doch das war immer von innen gewesen. Er hatte dann immer den jeweiligen Raum Luftdicht verschlossen und hatte die Klappe geöffnet. Jetzt konnte er nur nach Gefühl arbeiten. Er schloss die Augen und konzentrierte sich so gut es ging. Nach langen hin und her bekam er die kleine Klappe auf. Nun musste er nur noch den ebenso kleinen Hebel innen nach links schieben. Oder war es nach rechts? Die Helmscheibe war total beschlagen und selbst wenn er den Kopf hätte senken können, hätte er nichts mehr sehen können. Als er schon dachte, dass er es nicht schaffen würde, verlor er den Halt unter sich und fiel drei Meter hinunter. Die Landung war relativ weich. Ein kleiner Stapel Kartons empfing ihn.
Auf allem vieren kroch er durch den Raum zu dem Ersatztornister. Er schnappte nach Luft, doch diese besaß so gut wie kein Sauerstoff mehr und er stand kurz davor die Besinnung zu verlieren. Er bekam einen Sauerstoffschlauch zu fassen, schloss ihn an und verzweifelte fast, als er merkte, dass kein Sauerstoff in den Helm strömte. Dieser Tornister war leer!
To be continue!